Projektbericht - Beschreibung und Fazit

Bericht, Fazit, Konzept des Projektes in der Nachsicht nachdem alle Objekte des TFM Lübeck fotografiert und Sammlungsangaben erfasst wurden.

DIGITALE SAMMLUNGSERFASSUNG - TheaterFigurenMuseum (TFM) Lübeck

Aus Kunst und Kontext, Ausgabe 02/2011, Seite 42

Siehe auch: Berichte, Details, Vorträge und mehr einer Tagung vom 10. und 11. Juni 2011

Erstmalig wurde 2010/11 der Gesamtbestand eines mittelgroßen deutschen Museums (ca. 35.000 Objekte) erfasst und im Internet für die Öffentlichkeit zugänglich gemacht; d.h. jedes einzelne Stück wurde digital fotografiert und ist mit Sammlungsangaben veröffentlicht. Interessierte können die Sammlung durchblättern oder mit Suchbegriffen filtern. Vor allem die wissenschaftliche Bearbeitung von Teilsammlungen und Einzelstücken ist somit einfach möglich, aber auch jeder Interessierte soll einen virtuellen Zugang zum, sonst nicht zugänglichen, Museumsmagazin erhalten. Eine öffentliche inhaltliche Diskussion, z.B. zu Sammlungsangaben, Qualität des Stückes, Vergleichsobjekten, ist durch eine Bearbeitungsfunktion gewünscht,

Natürlich hätte alles noch besser gemacht werden können: der Fotograf wird die Qualität der Bilder bemängeln und der Wissenschaftler die Qualität der Sammlungsangaben. Wissenschaftlich gesehen ist eine Sammlungserfassung eine systematische Arbeit, vergleichbar mit der Systematik der Biologie. Sie ermöglicht und verbessert die hergestellte Ordnung die Arbeit derjenigen Experten, die Teilbereiche bearbeiten wollen. Eine Datenbank funktioniert nur mit korrekten Suchbegriffen. Ist ein Stück z.B. regional falsch zugeordnet, wird es der Experte nicht finden. Der Systematiker arbeitet am Fundament, damit der Experte sein Bauwerk effektiver erstellen kann.

Das Projekt hat Beispielcharakter. Es beweist, daß Mitarbeiter mit geringen fotogafischen Vorkenntnissen und thematischem Basiswissen eine Museumssammlung von etwa 28.000 Stück und ca. 7.000 Büchern/Zeitschriften innerhalb von zwölf Monaten vollständig erfassen, sowie alle Fotos in einer Internet-Datenbank öffentlich zugänglich gemacht werden können. Ermöglicht wurde das Projekt durch die Possehl-Stiftung Lübeck, also nicht durch einen öffentlichen Träger.

Die erfolgreiche Durchführung des Projektes ist eine Politische Forderung an die Verantwortlichen endlich mit der digitalen Erfassung und Internet-Veröffentlichung der Museumsbestände in Deutschland zu beginnen. Jeder Steuerzahler ist am Erhalt der viellfältigen Museumsbestände von Millionen von Objekten zahlend beteiligt. Die Entscheidung darüber, was in Ausstellung oder Internet zu sehen ist, sollte zukünftig nicht den Museen überlassen sein. Selbstverständlich sollten aber z.B. bei ethnografischen Museen die Erben der ursprünglichen Hersteller mitreden, ob spirituell bedeutende Gegenstände öffentlich sein dürfen.

Ich bin kein Prophet, aber die Zukunft könnte zeigen, daß, wer aktiv im Internet Museumsbestände sehen kann, auch gezielter und häufiger Ausstellungen besuchen wird. Das virtuelle Museumsmagazin nutzt den Museen und motiviert auch im 21. Jahrhundert zum aufwändigen Erhalt der Sammlungen.

Während viele Museen, z.B. in den Niederlanden, Skandinavien, Japan, Frankreich, England, USA, teilweise seit Ende der 1990iger Jahre an der vollständigen digitalen Erfassung und Veröffentlichung im Internet arbeiten, hat Deutschland diese Nutzer-Revolution vollständig verschlafen.

Ein möglicher Grund ist, daß in Deutschland jedes Museum einen anderen Eigentümer hat, mal ist es der Bund, dann ein Bundesland, dann eine Stadt oder eine Stiftung. Eine gemeinsame Diskussion dieser wichtigen Frage fand bisher nicht statt, auch Lehre und Forschung haben das Thema nicht entdeckt. Fakt ist, daß die wirtschaftlich verantwortlichen Träger der Museen bisher keine ausreichenden finanziellen Mittel für diesen Bereich vorgesehen haben. Kein einziges Museum staatlicher Trägerschaft hat ein virtuelles Museumsmagazin realisiert.

Es sind vor allem drei Argumente, die in Gesprächen und Diskussionen gegen derartige Projekte vorgetragen werden: die Aufgabe ist zu groß, nicht bezahlbar und das "copyright" unklar.

Argument "Riesenaufgabe"

Es wird von falschen Voraussetzungen hinsichtlich der Fotoqualität ausgegangen. Benötigt werden für wissenschaftliche Analysen keine ästhetisch perfekten Profifotos, sondern standardisierte Ansichten eines Stückes von mehreren Seiten, vor einem Raster, um die Größe optisch ermitteln zu können. Auch für die Internetnutzung sind hohe Auflösungen derzeit noch unpraktisch, da diese lange Ladezeiten implizieren. Zudem braucht die Auflösung nicht besser zu sein als die Darstellung des Bildschirms.

Argument "Zu teuer"

Die Erfahrung des Projektes zeigt, daß eine Erfassung von ca. 35.000 Objekten durch fünf bis sechs Personen innerhalb eines Jahres mit einem Aufwand von etwa 300.000 Euro geleistet werden kann, wenn die Arbeitsräume im Museumsmagazin vorhanden sind. Es ist eine einmalige Investition, die sinnvollerweise mit einer Inventur verbunden werden sollte.

Argument "copyright"

Ohne tiefer in diese vielfältige Problematik einzusteigen, kann eine Form der Internetpräsentation gewählt werden, die auch außerhalb Deutschlands von Museen bevorzugt wird und eine Art Standard ist:

  • Auflösung der Fotos nur bis 100 Kilobyte;
  • Wasserzeichen in den Bildern;
  • erschwertes Herunterladen der Fotos.

AUSGANGSSITUATION, ZIEL UND AUFGABEN

Im Jahr 2010 erwarb die Possehl-Stiftung Lübeck den Gesamtbestand des TheaterFigurenMuseum Lübeck (TFM), zusammengetragen von dem Sammler Fritz Fey junior ab den 1970iger Jahren bis heute.

Ein kleiner Teil (etwa 900 Stück) ist in den Museumsräumen Am Kolk ausgestellt, der Rest war im Depot in Papenhusen, einer umgebauten Scheune, provisorisch verpackt. Es gab keine Inventarnummern und kein Eingangsbuch. Die Stücke waren nur sehr grob sortiert und in den Kartons nur selten als Teilsammlungen zusammengefasst. Der Bestand wurde vom Sammler auf 30.000 bis 40.000 Objekte geschätzt.

Die Ziele des Projektes waren:

"Der Bestand des TheaterFigurenMuseum Lübeck (etwa 35.000 Stücke) soll im Rahmen eines Projektes digital fotografiert, die Sammlungsangaben des Sammlers Fey erfasst, der Gesamtbestand im Internet veröffentlicht und die Stücke sachgerecht gelagert werden."

Die Aufgaben wurden im Juli 2010 wie folgt festgelegt:

  1. Etikettierung: Die Stücke der Sammlung sind bisher nicht mit einer Nummer ausgezeichnet, daher ist an jedem Stück ein Etikett anzubringen.
  2. Fotografieren jedes einzelnen Stückes: Jedes Stück wird mehrmals fotografiert. zweidimensionale Objekte mindestens Vorder- und Rückseite, dreidimensionale sechs Fotos (90° Drehung, oben, unten). Auf den Fotos müssen die Etiketten gut sichtbar sein, außerdem eine Farbkarte und ein Längenmaßstab.
  3. Erfassen der Sammlungsangaben des Sammlers Fey: Digitales Erfassen der Sammlerangaben nach Herkunft (Land, Region), Material, Voreigentümer, Erwerbsjahr.
  4. Restauratorische Sichtung: Die Stücke benötigen nach Material unterschiedliche Lagerbedingungen, so sind z.B. einzelne empfindliche Stücke in Kartons zu verpacken. Bei der Sichtung kann nur der Zustand der Stücke erfasst und in schriftlichen Empfehlungen die weitere Arbeit festgehalten werden.
  5. Veröffentlichung im Internet und Einbeziehung von Experten: Der gesamte Datenbestand wird im Internet veröffentlicht, um Experten und andere Interessierte in die laufende Diskussion einbeziehen zu können.

Weiterhin zeigte sich schon zu Projektbeginn, daß auch das Verpacken der Stücke und der Aufbau eines neuen Lagersystems in Papenhusen notwendig war.

Es ging bei dem Projekt also nicht um die wissenschaftliche Bearbeitung von Stücken oder Untersammlungen, oder gar eine wirtschaftliche Bewertung, sondern um eine systematische Erfassung des gesamten Bestandes..